Manchmal bin ich traurig
Tja… warum sollte es mir auch anders gehen als vielen, vielen anderen Menschen da “Draußen”. Ich versuche Euch mal zu erzählen, was durchaus und immer wieder einen gewissen Teil meiner Traurigkeit ausmacht:
CN: Es geht um Familie und teils schwierige Verhältnisse zueinander
Also… wie fange ich das nun an? Puh.
Mein Vater, ich nenne ich einfach nur Vaddern – das mag meiner Natur entsprechen, da ich ziemlich weit im Norden geboren und aufgewachsen bin.
Nun, Vaddern und ich haben eine eher seltsame Beziehung zueinander. Früher und in meiner Jugend war es so, dass aufgrund seines Handelns und seiner Art irgendwann meine große Schwester und ich den Part beider Elternteile übernommen haben.
Anfangs war es noch okay mit ihm. Er war mein Held, mein Vaddern. Wie Mensch sich das so vorstellt. Durch ihn habe ich die Liebe zur Musik entwickelt, auch Gitarre hat er mir anfangs noch beigebracht.
Also irgendwie die “Heile Welt”, oder?
Aber dieses Bild hielt nur solange, bis er irgendwie seinen Halt in dieser Welt, seinen Job und auch seine Frau verloren hat, denn meine Muddi hat es irgendwann nicht mehr ausgehalten und sich scheiden lassen. Wie es dazu kam, möchte ich an dieser Stelle eher (noch?) nicht erzählen, aber soviel habe ich inzwischen gelernt: Vaddern ist ein Narzisst.
Meine Schwester und ich haben uns also um ihn gekümmert, ihn öfter mal Abends in der Stadt gesucht, weil er nicht nach Hause kam und in ein einer Kneipe gefunden, ihn dann Heim gebracht. Wir wurden irgendwie und irgendwann seine Mutter und sein Vater. Verkehrte Welt. Und alles sehr sehr ungesund.
Das alles war für mich persönlich nur ein weiterer Baustein, meines damals schon sehr maroden Hauses. Ein Haus das über alle Maßen einsturzgefährdet war.
Langer Rede, kurzer Sinn… nach vielen Jahren der Therapie und meiner Einsicht, dass diese Beziehung nicht richtig ist, gab es einen Punkt, an dem ich einen Kontaktabbruch vollziehen musste. Es hat mehrere Anläufe gebraucht, bis dieser auch auf Dauer geklappt hat.
Vaddern lebt nun aber auch seit gut 18 Jahren nicht mehr in Deutschland, sondern mit wechselnden Wohnsitzen in Thailand. Also weit weg. Sehr weit weg. Zwar kommt er alle paar Jahre mal wieder nach Deutschland, aber ich wollte ihn die letzten Male einfach nicht mehr sehen.
Wir schreiben uns aber beispielsweise zu Geburtstagen via “Signal”. Das sieht dann in etwa so aus:
Ich: “Alles Gute zum Geburtstag. Hoffe, Du bist und bleibst gesund und munter. Lass es Dir gut gehen.”
Vaddern: “Jo”
Das war dieses Jahr – und nein, da kam nichts weiter. Als wenn das alleine nicht traurig genug sein sollte, oder? Ich weiß ja auch nicht, aber ich mache mir immer wieder so meine Gedanken, was in ihm vorgeht. Ich habe mir beispielsweise große Sorgen gemacht, als es in Thailand richtig los ging mit Corona – denn er hat dort keinerlei Krankenversicherung oder eine ähnliche Absicherung. Er hat auch keine Reichtümer, lediglich eine ganz kleine Rente, die hier in Deutschland auch aufgestockt werden würde. Aber dann den Kontakt zu suchen, fällt mir wirklich sehr schwer. Und das tut mir dann auch leid.
Aber es macht mich einfach traurig, dass er weder meine Schwester, die ja Arzthelferin und darüber hinaus Hochrisikopatientin ist und wirklich eine sehr schwere Zeit hat, oder mich nicht ein einziges Mal gefragt hat, ob es uns gut geht. Ob wir gesund sind, ob wir “in Sicherheit sind” – Das tut mir weh. Das macht mich traurig. Und ja, manchmal will ich auch gerne mal das Kind sein, um das sich gesorgt wird.
Ich verstehe vielleicht nicht, wie andere Familien “funktionieren” – ich habe da nicht viel, womit ich die Dinge, die ich im Fernsehen, in Filmen oder in Büchern aufnehme, vergleichen kann. Aber ich spüre einfach, dass es falsch ist… und traurig.
Selbstverständlich sind diese Erfahrungen für mich nichts Neues. Sie sind ein Teil von mir. Ein Teil meines Lebens – und ich habe vieles akzeptiert und versuche es als gegeben anzunehmen. Aber es gibt einfach Tage, da fällt es mir schwerer als an anderen Tagen. Ihr kennt das sicher.
Fick Dich, Vaddern!
Und natürlich, jetzt in der Weihnachtszeit, die ja für viele Menschen Familie und Freunde und Liebe bedeuten, macht es mir das Herz ein wenig schwerer als im restlichen Jahr. Denn dort werde ich nicht von allen Seiten damit “vollgeballert”
Nicht falsch verstehen: Ich gönne Euch allen diese Vorfreude, das Zusammensein, den wieder enger werdenden Kontakt zur Familie, auch wenn es dieses Jahr doch alles ein wenig anders aussieht als vielleicht die Jahre zuvor.
Ich weiß ebenso, dass viele auch ein eher gespaltenes Verhältnis zur Familie haben und sich auch eher abschotten, alleine sein wollen und dieses Weihnachten einfach nur hassen – aber bitte nehmt es mir nicht übel, dass ich hier in diesem Blog versuche, mich selbst ein wenig zu reflektieren und es tut mir ehrlich auch Leid, dass ich auf die Leser eventuell zu wenig Rücksicht genommen habe.
So… nun ist es raus. Es ist nun in der Welt. Ein Teil meiner kleinen Geschichte. Der Geschichte eines ehemals kleinen Jungen aus dem hohen Norden.